Unter einer Unterfangung nach DIN 4123 ist eine bauliche Maßnahme zu verstehen, bei der die Last eines flach gegründeten Gebäudes abschnittsweise in eine tiefere Gründungsebene verlagert wird.
Dies ist notwendig, wenn Ausschachtungen am Gebäude vorgenommen werden sollen, die sich nachteilig auf die Standsicherheit des Gebäudes auswirken können. So kann der anstehende Boden beispielsweise für eine ausreichende Grundbruch- oder Geländebruchsicherheit erforderlich sein. Durch die Herabsetzung der Gründungsebene wird die Standsicherheit des Gebäudes trotz Entfernung des Bodens sichergestellt.
Bei der technischen Umsetzung einer Unterfangung gibt es es verschiedene Möglichkeiten. So gibt es Verfahren des Spezialtiefbaus, wie beispielsweise das Düsenstrahlverfahren, bei dem unter dem Bestandsgebäude unter hohem Druck ein Zement-Boden-Gemisch erzeugt werden kann. Nach Abbindung kann dann abgeschachtet werden.
Verfahren des Spezialtiefbaus sind jedoch mit großem Geräteaufwand verbunden und eine Unterfangung dadurch entsprechend teuer. In Fällen mit bestimmten Voraussetzungen ist eine Abschnittsweise Unterfangung nach DIN 4123, „Ausschachtungen, Gründungen und Unterfangungen im Bereich bestehender Gebäude“, möglich.
Ein häufiger Fall, der eine Unterfangung notwendig werden lässt, ist beispielsweise die Gründung eines neuen Gebäudes neben einem bestehenden. Besonders deutlich wird dies am Beispiel eines geplanten unterkellerten Gebäudes, das unmittelbar neben einem Gebäude ohne Keller gegründet werden soll. Hier ist es unmöglich die Baugrube für den Keller auszuheben, ohne die Standsicherheit des Bestandsgebäudes massiv zu gefährden. Neben hohen Sachschäden besteht auch eine Gefahr für Leib und Leben der Arbeiter und Bewohner bei einem Einsturz des Gebäudes.
Die DIN 4123 bietet zwar wertvolle Hinweise und Vorgaben für die Unterfangung, essenziell sind jedoch die Planung und Ausführung durch entsprechend erfahrene Fachleute. Keinesfalls ist die DIN 4123 als Anleitung für eine „DIY-Unterfangung“ zu verstehen.
Inhaltsverzeichnis
Voraussetzungen für eine Unterfangung nach DIN 4123
Damit eine abschnittsweise Unterfangung nach DIN 4123 möglich ist, sind sowohl Voraussetzungen an die vorhandene Bausubstanz als auch an den Baugrund zu stellen.
Anforderungen an den Baugrund
Mit Blick auf dem Baugrund muss sichergestellt werden, dass unterhalb der fertiggestellten Unterfangung wenigstens mitteldicht gelagerte nichtbindige beziehungsweise wenigstens steife bindige Böden vorhanden sind.
Sofern Grundwasser vorhanden ist, darf dieses nicht höher als 0,5 m unterhalb der Unterfangung stehen. Bei höherem Grundwasser ist das Grundwasser entsprechend durch eine geeignete Wasserhaltung abzusenken. Eine ausreichende Absenkung ist vor Beginn des Bodenaushubs beispielsweise über Abstichmessungen an Grundwassermessstellen zu kontrollieren. Die Grundwasserabsenkung ist jedoch nur zulässig, wenn hierdurch keine Schäden an der vorhandenen Bausubstanz zu erwarten sind!
Um überprüfen zu können, ob die Anforderungen an den Baugrund eingehalten werden, ist eine normgerechte Baugrunderkundung sowie eine entsprechende Bewertung durch einen Sachverständigen für Geotechnik erforderlich.
Anforderungen an das Bestandsgebäude
Die Norm DIN 4123 setzt voraus, dass das Bestandsgebäude entweder auf einer Stahlbetonplatte oder auf Streifenfundamenten gegründet ist. Für beispielsweise Einzelfundamente gilt die Norm entsprechend nicht. Das heißt nicht, dass eine abschnittsweise Unterfangung hier nicht möglich ist, jedoch ist eine gesonderte Planung mit Bezug auf den konkreten Einzelfall erforderlich. Auf vereinfachte Nachweise nach DIN 4123 kann sich dann nicht bezogen werden.
Auch darf beispielsweise die Fundamentlast bei einem Streifenfundament nicht mehr als 250 kN/m betragen. Bei entsprechend großen Bauwerken ist hier entsprechend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der DIN 4123 gegeben sind.
Setzungschäden durch Unterfangung
Bei einer Unterfangung nach DIN 4123 können selbst bei gewissenhafter und sorgfältiger Planung und Ausführung geringfügige Verformungen auftreten. In der Norm heißt es hierzu:
„Als weitgehend unvermeidbar gelten ganz allgemeine Setzungen der unterfangenen Gebäudeteile bis 5 mm sowie Risse, deren Breite vom Material und vom Zustand des Bauteils abhängt, z.B. Haarrisse bis 0,2 mm bei Stahlbetonbauteilen.“
aus DIN 4123
Wenn bei großen Unterfangungshöhen die Unterfangung in mehreren horizontalen Abschnitten erfolgt, ist außerdem damit zu rechnen, dass die „unvermeidlichen Verformungen und Setzungen“ mehrfach auftreten können.
Damit ist klar, dass bei einer Unterfangung nach DIN 4123 Beanspruchungen des Bestandsgebäudes auftreten können. Entsprechend ist sicherzustellen, dass das zu unterfangende Gebäude in einem entsprechend guten Zustand ist und nicht die Gefahr besteht, dass bei einer entsprechenden Vorschädigung nicht die Gefahr unvertretbarer größerer Schäden besteht oder gar der Verlust der Standsicherheit droht.
Im Planungsprozess ist also der Zustand des Gebäudes zu überprüfen und insbesondere auch Art und Zustand der Gründung in Erfahrung zu bringen. Sofern hier Vorschädigungen festgestellt werden, die eine Unterfangung unvertretbar erscheinen lassen, sind vorlaufend Sicherungsmaßnahmen am Bestandsgebäude zu veranlassen (z.B. Instandsetzung von Mauerwerk, Rückverankerung oder Aussteifung von Gebäudeteilen).
Dringend ist auch ein Beweissicherungsverfahren unter Mitwirkung aller Beteiligten zu empfehlen, bei dem der Zustand des zu unterfangenden Gebäudes genau dokumentiert wird. Hierbei sollten bereits vorhandene Risse aufgenommen werden und Höhenmesspunkte gesetzt werden. So kann im Nachhinein besser ermittelt werden, ob neue Schäden durch die Unterfangung entstanden sind oder ob ein vermeintlich neuer Riss nicht bereits zuvor vorhanden war.
Herstellung der abschnittsweisen Unterfangung nach DIN 4123
Bei einem Abtrag des Bodens auf voller Länge würde man unweigerlich die Standsicherheit des Bestandsgebäudes gefährden, weshalb die die Unterfangung nach DIN 4123 abschnittsweise über Stichgräben erfolgt.
Hierfür darf zunächst ein Voraushub vorgenommen werden, bei dem die Bodenaushubgrenzen nach DIN 4123 eingehalten werden. Dieser Aushub führt bei Einhaltung der Voraussetzungen an Boden und Bauwerk nicht zu einer Gefährdung der Standsicherheit.
Anschließend werden Stichgräben im Pilgerschrittverfahren angelegt. Genauer werden die Gräben in vier Arbeitstakten angelegt, bei denen quasi vor und zurück gesprungen wird. Auf diese Weise ist beidseitig eines Stichgrabens immer entweder nur anstehender Boden oder – nach Ausführung zweier benachbarter Gräben – nur fertiggestellte Unterfangungswand.
Bei den Stichgräben ist darauf zu achten, dass sie nicht breiter als 1,25 m sind. Zudem sollten die ersten Abschnitte unter den höchstbelasteten Gebäudeteilen angelegt werden. Je nach Tiefe des Grabens ist dieser zu verbauen. Beim Verbau darf keine unzulässige Erschütterung auftreten. Es empfiehlt sich ein Normverbau nach DIN 4124. In jedem Fall ist der Graben zu verbauen, wenn der Unterfangungsabschnitt nicht noch am gleichen Tag fertiggestellt werden kann. Hier ist insbesondere auch ein Verbau der Stirnseite erforderlich.
Es darf an mehreren Gräben gleichzeitig gearbeitet werden, wobei zwischen zwei gleichzeitig angelegten Gräben ein Abstand von mindestens drei Abschnittsbreiten einzuhalten ist.
Ist der Graben angelegt, kann die Unterfangung selbst errichtet werden. Diese kann entweder aus aus Mauerwerk oder aus Beton erstellt werden. Wichtig ist, dass die Dicke der Unterfangungswand gemäß Standsicherheitsnachweis ausgeführt wird. Die Dicke des vorhandenen Fundaments ist hierbei nicht zu unterschreiten. Auch ist auf eine kraftschlüssige Verbindung der Unterfangung mit dem Bestandsfundament zu achten. Dies kann beispielsweise durch Stahldoppelkeile oder durch Beton mit Quellzusätzen erreicht werden.
Nach Fertigstellung des Abschnitts wird der Graben vorübergehend bei leichter Verdichtung wiederverfüllt. Anschließend kann mit dem nächsten Abschnitt begonnen werden.
Erstellung des neuen Fundamentes
Sind alle Abschnitte abschließend bearbeitet, kann der temporär angefüllte Boden wieder entfernt werden. Die Bodenaushubgrenze ist jedoch zu beachten. Die Unterfangungswand darf nur soweit freigelegt werden, dass eine ausreichende Einbindung der Wand in den Baugrund zur Gewährleistung der Standsicherheit verbleibt. Hierbei darf ohne weiteren Nachweis keinesfalls tiefer als 50 cm über Fundamentunterkante ausgeschachtet werden.
Häufig soll nun ein Streifenfundament für einen Neubau entlang der Unterfangungswand erstellt werden. Sofern die Unterfangung so tief gesetzt wurde, dass die Unterkante des neuen Fundamentes oberhalb der Bodenaushubgrenze liegt, kann das Fundament an einem Stück durchgängig errichtet werden. Liegt das neue Fundament jedoch tiefer, so muss auch das Fundament analog zur Unterfangung abschnittsweise erstellt werden, um die Standsicherheit des Bestandsgebäudes nicht zu gefährden.
Nachweis der Standsicherheit bei Unterfangung nach DIN 4123
Folgende Nachweise der Standsicherheit sind zu bei einer Unterfangung nach DIN 4123 zu erbringen:
- Standsicherheit des bestehenden Gebäudes
- Standsicherheit in Bauzuständen
- Standsicherheit der Unterfangungswand
- Standsicherheit des neuen Gebäudes
Wenn die Voraussetzungen nach DIN 4123 im Hinblick auf Baugrund und Bauwerk eingehalten sind und die Unterfangung fachgerecht ausgeführt wird, sind zum Teil vereinfachte Nachweise möglich.
So kann dann auf einen rechnerischen Nachweis für die Bauzustände von Ausschachtungen und Gründungen verzichtet werden, wenn die Bodenaushubgrenzen eingehalten und Stichgräben und abschnittsweise Fundamente gemäß Vorgabe erstellt werden.
Beim Nachweis der Unterfangungswand ist insbesondere bei größeren Höhen der Erddruck zu berücksichtigen, der auf die Wand wirkt. Während im Ursprungszustand im Regelfall lediglich die Grundbruchsicherheit des Bestandsgebäudes nachzuweisen war, handelt es sich hierbei um einen zusätzlichen Nachweis.