Seeton – Ein problematischer Baugrund

Seeton – Ein problematischer Baugrund

Bei Seeton handelt es sich um einen bindigen Boden, der überwiegend aus Tonmineralen besteht und einen hohen Wassergehalt aufweist. Bei Belastung neigt er zu einer ausgeprägten Verformung, weshalb es sich bei solchen Böden um denkbar schlechten Baugrund handelt.

Das heißt jedoch nicht, dass auf Seetonen nicht gebaut werden kann. Dieser Artikel geht auf die Zusammensetzung und Eigenschaften des Sediments ein, beschreibt mögliche Gründungsvarianten und zeigt anhand von Fallbeispielen auf, was beim Bauen schiefgehen kann.

Entstehung und Zusammensetzung von Seeton

Seetone entstehen (post-)glazial, also im Zusammenhang mit Gletschern. Der Sedimenttransport erfolgt hierbei über das Schmelzwasser von Gletschern. Die Ablagerung erfolgt in eisrandfernen Becken, wobei eine saisonale Schwankung der Zusammensetzung festzustellen ist:

Im Sommer schmelzen die Gletscher stärker ab. Damit einher gehen größere Wassermengen in den Flüssen und höhere Fließgeschwindigkeiten. Unter diesem Bedingungen werden gröbere Partikel weiter transportiert. Im Winter hingehen nimmt die Strömungsgeschwindigkeit ab, entsprechend feineres Sediment wird transportiert. Dadurch ergibt sich innerhalb des Seetons oft eine Abfolge von gröberen und feineren Schichten. Die Schichtung ist hierbei meist horizontal mit streng ausgeprägten Schichtgrenzen.

Auch wenn die Bezeichnung Seeton es vielleicht nicht vermuten lässt, besteht er oft zu großen Teilen aus Schluff. Also gröberen Partikeln.

Prägend für seine Eigenschaften sind vor allem der hohe Wassergehalt. So liegt der Boden meist in weicher, breiiger oder sogar flüssiger Form vor.

Bei einer Unterkonsolidation können Porenwasserüberdrücke vorliegen. Allerdings sind bei einer raschen Entlastung des Seetons, zum Beispiel beim Baugrubenaushub, auch Porenwasserunterdrücke möglich.

Bodenmechanische Eigenschaften

Der nachfolgenden Tabelle können einige bodenmechanische Kennwerte des Seetons entnommen werden, die aus BECKER, SHIDLOVSKAYA et al., BERNER und SCHERZINGER zusammengestellt wurden:

ParameterWert
undränierte Kohäsion cu
Kohäsion c‘
10 bis 80 kN/m²
0 bis 14 kN/m²
Reibungswinkel ϕ‘20° bis 31°
Wassergehalt21 % bis 26%
Fließgrenze wL21 % bis 50 %
Plastizitätszahl Ip5 % bis 30%
Konsistenzzahl Ic0,75 bis -0,3 (weich bis flüssig)
OCR0,3 bis 1,1
Bodenmechanische Kennwerte von Seeton

Die oberen Grenzen der Scherparameter Reibungswinkel und Kohäsion wurden in größeren Tiefen um die 20 m festgestellt.

Bauwerksgründung im Seeton

Etwa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden Gebäude im Seeton häufig über Streifenfundamente und Einzelfundamente gegründet. Setzungen wurden hingenommen oder waren bei leichten Bauwerken aus Holz nicht all zu stark ausgeprägt.

Allerdings wurden auch hier schon Gebäude auf mit Pfahlgründungen realisiert. Es handelte sich hierbei um einige Meter lange Holzpfähle, die in den Boden gerammt wurden. Selten wurde hierbei der setzungsempfindliche Boden durchteuft, so dass die Pfähle vollständig in der Schicht lagen. Es handelte sich somit meist um schwimmende Gründungen.

Heute sind die Möglichkeiten der Gründung von Bauwerken im Seeton vielfältiger. Je nach Bauwerk (Setzungsempfindlichkeit) und Eigenschaften des Bodens können Fundamentroste, Pfahlgründungen, Plattengründungen, kombinierte Pfahlplattengründungen oder auch Baugrundverbesserungen wie Rüttelstopfverdichtungen umgesetzt werden.

Eine Besonderheit stellen dynamische Belastungen dar, etwa aus dem Verkehr über Straßen. Hier kann ein Bodenersatz von bis zu 2 m Mächtigkeit zwischen Lasteintrag und der Oberkante des Seetons erforderlich sein.

Fallbeispiel Postamt in Konstanz

Der Baugrund in Konstanz am Bodensee ist geprägt durch den Rhein, die Gletscher der Würm-Kaltzeit mit einer maximalen Vereisung vor etwa 18.000 Jahren sowie die der Saale-Kaltzeit mit einer maximalen Vereisung vor rund 130.000 Jahren.

Hier kam es zum Eintrag von großen Mengen an Schlamm durch das Schmelzwasser der Restgletscher in das Bodenseebecken. Dadurch ist der Seeton hier heute bis zu 80 m mächtig. Im Bereich des Postamtes reicht er bis etwa 22 m unter Gelände, darauf folgt Schluff.

Das Postamt in Konstanz wurde von 1889 bis 1891 gebaut. Die Gründung erfolgte auf einer Bodenplatte.

Bis 1938 ergaben sich teilweise Setzungen von über 10 cm, die jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt waren. Man entschied sich zu einer Nachgründung über eingepresste Pfähle, die jedoch nicht das gewünschte Ergebnis brachten. Stattdessen ergaben sich weitere Setzungen von etwa 2 cm bis 4 cm.

In den 80ern wurde angrenzend gebaut, was erneut zu signifikanten Setzungen im Seeton führte. Die Gesamtsetzung reicht heute von etwa 8 cm bis 18 cm.

Fallbeispiel St. Isaac Kathedrale, St. Petersburg

Ebenfalls über Seeton gegründet wurde die St. Isaac Kathedrale in St. Petersburg, Russland. Die Kathedrale wurde von 1818 bis 1858 erbaut und auf Holzpfählen gegründet. Die Holzpfähle reichen jedoch nur bis in die erste Schicht, bei der es sich um Sand mit organischen Bestandteilen handelt. Der Seeton folgt erst auf den Sand.

Die St. Isaac Kathedrale ist ein imposantes Bauwerk mit einigem Gewicht, das sich auf den setzungsempfindlichen Boden auswirkt. Dieser hat hier nur sehr geringe Steifemoduln von 0,3 MN/m² bis 1,1 MN/m². Das heißt, dass er sich bereits bei geringen Lasten stark verformen kann.

Die Verformungen des Seetons sind hier so erheblich, dass sich die Kathedrale im Laufe der Zeit um etwa einen Meter gesetzt hat. Die Differenzsetzungen betragen etwa 0,25 m. Dies ist natürlich auch optisch deutlich wahrnehmbar. Die Setzungen sind zudem noch nicht abgeklungen, so dass sich kontinuierlich neue Risse bilden.

Weiterführende Literatur

Für weiterführende Informationen zum Thema sei auf folgende Literatur verwiesen:

Becker, P. (2009): Zeit- und spannungspfadabhängiges Verformungsverhalten bei Baugruben in weichen Böden. Schriftenreihe Geotechnik Universität Kassel, Heft 22

Berner, U. (2015). Gründungen in weichen Böden, Erfahrungen aus dem Bodenseeraum. 12. Biberacher Geotechnikseminar

Kempfert, H.-G. (2014). Bodenmechanische Besonderheiten bei Flachgründungen in normalkonsolidierten weichen Böden – Fallbeispiele und Erklärungsversuch. in Aktuelle Forschung in der Bodenmechanik 2013 – Tagungsband zur 1. Deutschen Bodenmechanik Tagung, Bochum

Klobe, B. (1992): Eindimensionale Kompression und Konsolidation und darauf basierende Verfahren zur Setzungsprognose. Institut für Bodenemchanik und Felsmechanik der Universität Fridericana in Karlsruhe, Heft 128

Krieg, S. (2000): Viskoses Bodenverhalten von Mudden, Seeton und Klei. Institut für Bodenemchanik und Felsmechanik der Universität Fridericana in Karlsruhe, Heft 150

Scherzinger, T. (1991). Materialverhalten von Seetonen – Ergebnisse von Laboruntersuchungen und ihre bedeutung für das Bauen in weichem Baugrund. Institut für Bodenemchanik und Felsmechanik der Universität Fridericana in Karlsruhe, Heft 122

Shidlovskaya, A., Briaud, J.L. and Mohammadrajabi, M. (2017). St. Isaac Cathedral (St. Petersburg, Russia): A Case History. International Journal of Geoengineering Case histories

Fazit zum Seeton als Baugrund

Seeton ist Boden, der sehr empfindlich auf Belastung reagiert. So ist mit erheblichen Setzungen zu rechnen, wenn die Bauwerksgründung nicht entsprechend auf die Bodenverhältnisse ausgelegt ist.

Mit einer Tiefgründung können Setzungen weitgehend minimiert werden. Sofern die Schicht nicht zu mächtig ist, sollten die Pfähle möglichst unterhalb des Seetons in belastbareren Schichten abgesetzt werden.