Bei einem Erdfall handelt es sich um eine Senkung oder ein Loch im Boden, das entsteht, wenn Bodenschichten oder Fels in einen natürlich entstandenen, untertägigen Hohlraum einbrechen. So wird vermeintlich tragfähiger Boden zu einem großen Risiko für Mensch und Bauwerk.
Von natürlichem Erdfall zu unterscheiden sind übrigens Tagesbrüche. Diese beruhen zwar auf vergleichbaren boden- und felsmechanischen Grundsätzen, haben jedoch menschengemachte Ursachen, wie zum Beispiel Bergbau.
Inhaltsverzeichnis
Gründe für Erdfälle
Bei natürlichen Erdfällen sind die Gründe in der Geologie zu finden. So treten sie in Gebieten auf, die von wasserlöslichen Gesteinen wie Kalkstein, Gips oder Salz dominiert werden. Die genannten Gesteine stehen zu Beginn im Wesentlichen raumfüllend an und bieten so überlagernden Sedimenten eine geeignete Grundlage.
Im Laufe der Zeit entstehen jedoch untertägige Hohlräume durch Lösungsprozesse, die im Zusammenhang mit Grundwasser stehen. Zunächst dringt das Wasser beispielsweise in schmale Klüfte ein, die durch die Lösung des Gesteins zunehmend größer werden. Man spricht hier auch von Verkarstung und bei den Hohlräumen auch von Karsthöhlen. Der Lösungsprozess selbst ist auch als chemische Verwitterung bekannt, die sich im Falle vom Kalk beispielsweise durch die Reaktion von im Wasser enthalten Kohlenstoffdioxid mit dem Gestein verwirklicht.
Im Laufe der Zeit wird den überlagernden Bodenschichten so das Widerlager entzogen. Schließlich brechen sie durch ihr Eigengewicht in den Hohlraum ein. Dies kann sich zunächst durch länger andauernde Senkungen an der Tagesoberfläche bemerkbar machen, es kann aber auch ganz plötzlich gehen.
Das Risiko in Deutschland
In Wäldern ist das Risiko, das von Erdfällen auf den Menschen ausgeht, noch recht gering. Auch auf Feldern besteht meist keine all zu große Gefahr, da sich Verformungen des Geländes noch recht gut erkennen können und dort allgemein wenig Publikumsverkehr besteht.
Fatal können die Schäden jedoch im Bereich von städtischen Gebieten sein. So kann sich bei Erdfällen unter Straßen die Asphaltdecke oft zunächst noch selbst ausreichend tragen, der Hohlraum darunter bleibt unentdeckt. Das zusätzliche Gewicht eines Fahrzeugs ist dann jedoch zu viel. Gleiches gilt für Erdfälle unter Gebäuden.
Hat sich der Schaden verwirklicht, dann können betroffene Gebäude und Bauwerke völlig zerstört werden oder soweit beschädigt, dass sich eine Sanierung nicht mehr lohnt. Schäden an Leitungen können zumindest zeitweise auch größere Gebiete beispielsweise durch Stromausfälle in Mitleidenschaft ziehen.
Das Risiko von Erdfällen ist in Deutschland sehr ungleich verteilt. Am intensivsten ist Thüringen betroffen, mit einem entsprechendem Risiko auf etwa 60 % der Landesfläche. In Baden-Württemberg sind es beispielsweise noch 40 % der Landesfläche, in den Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist das Risiko verschwindend gering.
In absoluten Zahlen ausgedrückt ereignen sich beispielsweise in Thüringen etwa 10 bis 30 Erdfälle pro Jahr, wobei die meisten glücklicherweise in Wäldern und auf Feldern auftreten. Sind jedoch Siedlungsflächen betroffen, so können die Schäden erheblich sein. Für Thüringen seien hier die Erdfälle in Schmalkalden und Nordhausen genannt.
Maßnahmen gegen Erdfälle
Gegen natürliche Erdfälle kann man vorbeugend meistens nicht viel tun. In der Regel scheitert dies schon daran, dass gar nicht bekannt ist, ob auf einem Grundstück gegebenenfalls unterirdische Hohlräume vorhanden sind. Die Hohlräume sind räumlich meist eng begrenzt und können bei üblichen Baugrunderkundungen aufgrund der Abstände und unzureichenden Tiefen der Bohrungen übersehen werden.
Erkundung von unentdeckten Schadstellen
Gerade für die großflächige Erkundung von Hohlräumen können Verfahren der Geophysik sinnvoll sein. So können Verkarstungszonen zum Beispiel mittels seismischer Tomographie erkundet werden, die zwischen zwei Bohrungen ausgeführt wird.
Für größere Hohlräume kommt die Gravimetrie in Frage, bei der lokale Änderungen der Schwerkraft gemessen werden. So weist der Baugrund bei Hohlräumen eine geringere Dichte als das umgebende Gebirge auf. Die Differenz ist minimal und für den Menschen natürlich nicht wahrnehmbar. Mit entsprechend empfindlicher Messtechnik lassen sich diese Differenzen jedoch messen.
Bei Senkungsbereichen, die auf tiefliegende Hohlräume zurückgehen, selbst noch keine Hohlräume ausbilden, aber dennoch auf ein möglichen Risiko für Erdfälle hinweisen, kann auch eine Erkundung mittels Georadar erfolgen. In Tiefen bis zu etwa 5 m können so durch die Messung der in Senkungsbereichen verstärkten Reflexionsamplituden Auffälligkeiten im Baugrund identifiziert werden.
Überwachung von Erdbewegungen
Wurde bereits eine Senkung festgestellt und wird ein Erdfall befürchtet, so kann eine gezielte Erkundung mit Bohrungen, eine Überwachung mit seismischen Messgeräten oder gegebenenfalls über günstig installierte Wegaufnehmer erfolgen.
Mit zunehmenden technischen Fortschritt entstehen auch neue Möglichkeiten der großflächigen Überwachung, die ohne lokale Installation von Messtechnik auskommt. So sind moderne Satelliten in der Lage, hochauflösend auch Bewegungen im Millimeterbereich zu erfassen. Die Auswertung ist jedoch komplex und der Erfolg hängt von vielen Rahmenbedingungen ab. Diese Art der Überwachung ist momentan noch eher im wissenschaftlichen Kontext zu betrachten, wird aber zukünftig sicherlich auch in der Praxis eine größere Rolle spielen.
Sanierung nach dem Schadenseinritt
Hat sich der Erdfall bereits ereignet und ist der Schaden damit eingetreten, bleibt nur eine Sanierung. Zunächst muss der Hohlraum verfüllt werden. Hierzu stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die je nach Art und Zugänglichkeit des Schadens in Frage kommen. Doch auch die lokale Verfügbarkeit von Verfüllmaterial spielt eine Rolle, da die Verfüllung zur Vermeidung weiterer Schäden oft schnell gehen muss.
Der Erdfall kann beispielsweise mit nichtbindigen Böden wie Sanden und Kieses zugeschüttet werden. Nachteilig ist, dass der Einbau so nicht verdichtet erfolgen kann. Auch wenn ein erneuter Erdfall aufgrund der geologischen Gegebenheiten an dieser Stelle möglicherweise ausgeschlossen werden kann, werden sich zukünftig und je nach Mächtigkeit der Auffüllung noch langanhaltende Senkungen ergeben. Für bebautes Gebiet ist dieses Verfahren eher ungeeignet.
Kommt aufgrund der Eiligkeit der Verfüllung kein anderes Verfahren in Frage, so besteht jedoch die Möglichkeit, im Nachgang eine Tiefenverdichtung über Maßnahmen des Spezialtiefbaus wie Rüttelstopfverdichtungen oder Rütteldruckverdichtungen zu erreichen.
Weiterhin besteht die Möglichkeit, den Erdfall mit Ortbeton oder Flüssigboden zu verfüllen. Dies ist aufgrund der Materialkosten deutlich teurer, jedoch sind aufgrund der Festigkeit des Betons und der selbstverdichtenden Wirkung von Flüssigboden spätere Senkungen deutlich unwahrscheinlicher bzw. treten in einer sehr viel kleineren Größenordnung auf. Ein Vorteil hierbei ist zudem, dass der Beton beispielsweise über Betonpumpen an die Schadstelle transportiert werden kann und so ein ausreichender Sicherheitsabstand zur Abbruchkante gehalten werden kann.
Vorausschauende Planung
In Gebieten, in denen ein Erdfallrisiko bekannt ist, kann dieses durch eine entsprechende Planung wenigstens vermindert werden. Außerdem kann versucht werden die Schäden, die hierdurch auftreten, möglichst klein zu halten.
So kann es sinnvoll sein, bei der Grundstücksentwässerung das anfallende Niederschlagswasser vom Grundstück anzuführen anstatt es direkt versickern zu lassen. Eine Versickerung ist zwar aus Gründen eines nachhaltigen Grundwasserhaushalts grundsätzlich wünschenswert, kann in Karstgebieten jedoch auch zu einer Verstärkung von Lösungsprozessen führen und damit zu einer Erhöhung des Risikos von Erdfällen beitragen.
Falls ein Erdfall grundsätzlich möglich erscheint, aber nicht so wahrscheinlich ist, dass von einem Bau grundsätzlich abgesehen wird, kann über entsprechend verstärkte Bodenplatten dafür gesorgt werden, dass das Bauwerk robuster gegen einen lokalen Entzug des Widerlagers ist. So können Risse und Abbrüche vermieden werden, wenn die Erde beispielsweise nur unter einer Ecke des Hauses absackt.
Bekannte Fälle in Deutschland
Von den vielen Erdfällen, die sich in Deutschland ereignen, schaffen es die wenigstens über lokale Presse hinaus. Wenn überhaupt. Dies liegt daran, dass sie in Wäldern auftreten und dort oft gar nicht erst entdeckt werden und wenn, dann oft nicht spektakulär genug sind.
Aber hin und wieder ereignen sich auch große Erdfälle von beeindruckendem Ausmaß und erheblichen Schäden:
Erdfall in Schmalkalden
Der Erdfall ereignete sich am 1. November 2010 um 3 Uhr morgens an der Walter-Rathenau-Straße in Schmalkalden, Thüringen. Er verursachte erhebliche Schäden an einer Straße und Garagen, auch ein Auto ist in den Trichter gestürzt.
Es wurde geschätzt, dass etwa 20.000 Kubikmeter Boden einen unterirdischen Hohlraum abgerutscht ist. Der Trichter hatte einen Durchmesser von rund 30 m und war rund 17 Meter tief. Die Ursache ist wahrscheinlich geologisch bedingt. Zwar ist in der Umgebung auch Erzbergbau umgegangen, ein Zusammenhang wurde jedoch nicht gesehen.
Über 20 Menschen mussten damals aus 9 Häusern geräumt werden, Verletzte gab es glücklicherweise keine.
Seit März 2012 wird ein Frühwarnsystem installiert, das auf verdächtige Bewegungen reagieren soll. Bislang gab es jedoch keine auffälligen Bewegungen, dafür einige Fehlalarme, die durch Erschütterungen aufgrund von nahen Bauarbeiten ausgelöst wurden.
Erdfall in Nordhausen
Auf einem Betriebsgelände in Nordhausen in Thüringen kündigte sich der Erdfall durch ein wahrnehmbares Rauschen an, dass bereits Tage zuvor zu vernehmen war. Am 19. Februar 2016 brachen dann zunächst erste Pflastersteine der befestigten Fläche ein, anschließend riss schlagartig ein Krater von 30 m Durchmesser auf, die Tiefe ist unbekannt. Der Erdfall ereignete sich zwischen zwei Gebäuden, von denen Teile in die Tiefe gestürzt sind.
Es war nicht der erste Erdfall an dieser Stelle. 2010 tat sich die Erde hier schon einmal auf, damals wurde das Loch mit etwa 1.000 Tonnen Kies verfüllt.
Bei dem erneuten Ereignis war das Loch jedoch bedeutend größer, nach Schätzungen wären 70.000 bis 90.000 Tonnen Material erforderlich. Es wurde sich aufgrund der Kosten gegen eine Sanierung entschieden.
Bildnachweis des Titelbilds: (c) Luis Fernández García, CC BY-SA 4.0 (bearbeitet)